Teils Sonne, teils bewölkt, Wind. Der Tagesplan sieht so aus: „Pont du Gard“ Versuch 2, St. Rémy und Papstpalast in Avignon. Dabei dürfen wir erleben, wie sich andere Touristen im Ausland benehmen. Außerdem stellt sich heute die Gewissensfrage schlechthin. Ein kleines Geständnis unsererseits ist allmählich auch notwendig. Heutige Kilometer: 96 km.

Nach der morgendlichen Routine ist die erste wichtige Entscheidung zu fällen. Nehmen wir ein Motorrad oder Zwei? Hintergrund ist folgender: Am Pont du Gard zahlt man nicht nicht pro Kopf Eintritt, sondern pro Fahrzeug. Also ein Auto zahlt 15€ fürs Parken, dafür dürfen 5 Personen rein. Ein Motorrad zahlt 12€ und da dürfen bis zu zwei Leute rein. Lässt man also ein Motorrad zurück, stellt es vorher lieblos irgendwo in der Gegend ab oder nimmt man zwei Motorräder? Die Gewissensfrage – Geld vs. Motorrad. Genauer gesagt das Motorrad der Dame (der Tankrucksack, der oben die Navigationsangaben zeigt, passt nur auf die Suzi). Das Gewissen der Dame lässt nur eines zu: Ai wird nicht zurück gelassen. Das geht doch nicht, dass sie am Ende weniger Kilometer gefahren ist als das andere Motorrad. Nachdem das entschieden ist, geht’s ab aufs Motorrad. Ist irgendwie nicht dasselbe heute. Der Blick wandert nervös hin und her, das Herz klopft und die Gedanken kreisen nur noch um eins „Habe ich nichts vergessen?“. Leider nein. Also nochmal die Karte checken. Der Pont du Gard liegt im Westen Avignons, also Richtung Nimes. Das ist unter der ersten Brücke durch und die Zweite hochfahren. Tief einatmen und ausatmen. Los geht’s. Wie das Schicksal so will finden der Herr und die Dame heute den Weg problemlos. Da sind sogar richtig viele Schilder, die die Richtung zu einem gewissen „Pont du Gard“ anzeigen. Nach 25 Minuten ist erfreulicherweise darauf auch die Restkilometeranzahl angegeben: 3 km. 500 m weiter folgt ein Weiteres: „Pont du Gard 3,5“. Komisch. Die Franzosen müssen die Entfernung anders messen als wir oder haben damit noch etwas Schwierigkeiten. Das Draufschlagen von Kilometern ist uns während der Tour bereits öfter aufgefallen. Erfreulicherweise ist es heute auch nur 26 Grad warm. Endlich mal nicht/kaum schwitzen auf dem Motorrad. Aber zurück zum Wesentlichen. Ihr habt es bestimmt schon alle mitbekommen, aber ich muss es einfach nochmal ausformulieren: „Heute sind wir am Pont du Gard angekommen.“


Von dort geht es weiter nach St. Rémy. Einerseits ist dort die Ausgrabungsstätte Glanum, die die Dame brennend interessiert. Andererseits ist dort das Monastère Saint-Paul-de-Mausole – ein ehemaliges Kloster, das in ein Hospital für psychisch Kranke umgewandelt wurde. Und wen könnte das interessieren, wenn nicht den Herrn. Laut eigener Aussage ja nur, weil Vincent van Gogh dort gut ein Jahr verbracht hat. Wie dem auch sei, auch heute heißt es wieder Antike vs. van Gogh. Praktischerweiser liegen beide Orte nahe beeinander, so dass der Herr und die Dame sich wieder entscheiden beides gemeinsam anzusehen. In Glanum sind die Überreste der antiken Stadt, darunter eine Therme, Heiligtümer, Brunnen oder das Forum, zu sehen. Ein nette Szene dürfen wir dabei während unserer Stärkung im Imbiss von Glanum beobachten. Der Herr und die Dame sitzen sich an einem Zweier-Tisch gegenüber. Beide stürzen gerade über ihre Teller her, als einige andere Touristen, dem Dialekt nach zu schließen Österreicher, ebenfalls Platz nehmen. Ein Paar (Mitte Fünfzig) setzt sich genau an den Tisch hinter dem Herrn. Die Bedienung, eine sehr sanftmütige, stämmige Mitvierzigerin, geht zu dem Paar hinüber und fängt mit warmer, melodiöser Stimme an, die neu angekommenen Gäste zu begrüßen: „Bon jour. Qu’est-ce que vous“. „CAPUCCINO“ schalmeit es ihr da auch schon in lautem Befehlston, wie ihn nur eine Frau haben kann, entgegen und zwar so laut, dass der Herr hochschreckt und zu kauen aufhört. Auch die Dame reißt die Augen auf und alle Unterhaltungen verstummen augenblicklich. Die männliche Begleitung am Tisch versucht die Situation noch mit einem halb gelachten „Deux Cappuccinos, s’il vous plaît“ zu retten. Vergeblich. Nach der Szene ist der Ortswechsel zur „Irrenanstalt“ vielleicht gar nicht so falsch. Wieder sind an dem Kloster/der Klinik Abbildungen der Werke van Goghs vor Orten, die er gemalt hat. Diesmal aber in ordentlicher Größe und die Orte sind zum Teil noch zu sehen. Auf dem Weg zu seinem ehemaligen Zimmer und Atelier hängen ebenfalls viele seiner Werke in Replik. Super Sache.



Danach geht’s zurück nach Avignon. Kaum aufs Motorrad gestiegen und 3 km gefahren, wird sowohl dem Herrn als auch der Dame klar „Wir fahren in Richtung eines Gewitters.“ Links und rechts vor uns sind Blitze zu sehen. Spätestens der Donner macht klar, dass es das Wetter nicht gut mit uns meint. Oder doch? Todesmutig fahren wir stur weiter. Und haben Glück! Irgendwann wird die Straße nass. Hier hat es wohl schon geregnet. An der Ferienwohnung werden wir von der Besitzerin begrüßt. Klatschnass und das Wasser aus dem Hof wischend. Hier war wohl grad die Sintflut und sie ist mit ihrem Roller gerade aus der Arbeit nach Hause gefahren. Wir sind noch immer strohtrocken.

In der Annahme es würde heute schon nicht nochmal regnen, fahren wir mit dem Fahrrad nach Avignon – den Papstpalast anschauen und durch die Altstadt schlendern.


In der Altstadt haben wir das hier gefunden.


Sieht aus wie eine Breze. Ein Name steht nicht dabei. Keiner traut sich das zu probieren.

So wir sind ja jetzt schon ein Weilchen hier unterwegs und da wird es wohl Zeit etwas über den Fahrstil der Franzosen los zu werden. Franzosen sind in der Regel sehr nette Autofahrer: Lassen andere die Spur wechseln, drängeln relativ wenig und achten auf Motorradgruppen! Der Herr und die Dame haben sich auch schon den lokalen Sitten angepasst: Wildparken mit Motorrad ist absolut ok. In Gordes haben die Motorräder einfach bei den französischen Zweiräder am Rande der Fußgängerzone geparkt. Ob das erlaubt ist, wer weiß.

Zum Abschluss noch das worauf alle gewartet haben: das Geständnis. Wir sind jetzt mehrere Tage in Jeans und normalen Schuhen gefahren. Auch wenn das sicherheitstechnisch nicht ganz unbedenklich ist. Aber haben das der Herr oder die Dame schon erwähnt: Es ist sauheiß hier! Und es ist nichts passiert, alle leben noch (außer fünf provenzalische Mücken, die heute Abend leider über den Jordan gehen mussten) und ab morgen wird wieder in offizieller Kombi getourt.